Ein Geniestreich macht die Schweiz zum weltweiten Leader

V-R-B! – V-R-B! Das klingt wie ein Schlachtruf aus dem Stadion bei einem spannenden Fussballspiel. Hier geht es jedoch um etwas weniger Lautes, aber genauso Wichtiges: VRB steht für «Vorgezogener Recycling-Beitrag», umgangssprachlich auch «Entsorgungsfranken.

Dieser Beitrag wird bei jedem in der Schweiz verkauften Elektrogerät erhoben und finanziert die Sammlung, den Transport, die fachgerechte Zerlegung und das Recycling am Ende der Lebensdauer des Geräts. Doch die Geschichte hinter dem VRB ist natürlich viel komplexer, als es diese einfache Erklärung vermuten lässt.

Die Reise des VRB beginnt mit dem visionären Konzept des Cradle-to-Cradle-Prinzips. Diese Designphilosophie verfolgt das Ziel, Produkte so zu gestalten, dass ihre Materialien in einem endlosen Kreislauf wiederverwendet werden können. Stellen Sie sich vor, Ihr kaputtes Smartphone wird nicht einfach entsorgt, sondern seine Teile werden als neue Smartphone-Komponenten wiederverwendet oder finden als monumentales Wahrzeichen eine neue Bestimmung.

Heinz Beer, einst Vorstandsmitglied von Swico und Vorsitzender der Kommission Umwelt, war ein Pionier dieser Idee. Er dachte ökonomisch und ökologisch zugleich. Heinz erkannte, dass die wertvollen Rohstoffe aus Altgeräten weit günstiger zurückgewonnen werden können, als sie aus der Erde zu fördern. Diese Erkenntnis inspirierte ihn dazu, ein System zu entwickeln, das sowohl die Umwelt schützt als auch wirtschaftlich sinnvoll ist.

Heinz und der Kreislauf der Materialien

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Von der Vision zur Wirklichkeit

Die Herausforderung bestand darin, die gesamte Branche zu motivieren, gemeinsam an einer finanziell stabilen Recyclinglösung zu arbeiten. In der Bürogerätebranche, in der Beer tätig war, stellte man ihm ständig die Frage: Was passiert mit alten Geräten? Die Kehrichtverbrennungsanstalten beklagten zudem die wachsende Menge solcher Geräte, die sich nicht zur Verbrennung eigneten.

Ein Rechenspiel mit ökologischem Gewinn

«Warum nicht schon pauschal beim Kauf für das Recycling zahlen?», fragten sich die Initianten, «so werden die Gebühreneinnahmen aus dem Verkauf von Neugeräten dafür verwendet, die Kosten der im gleichen Jahr zurückgenommenen Geräte zu decken.» Dies ist ähnlich wie bei einem Rentensystem, bei dem junge Beitragszahler für die heutigen Renten aufkommen.

Nur: Ein Sodoku zu lösen ist ein Klacks gegen die Berechnung des VRB für ein einzelnes Gerät. Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen und die Kalkulation aufgeht, sind viele Faktoren zu berücksichtigen. Einer davon ist die Anzahl Jahre, die es dauert, bis ein verkauftes Gerät an einer Sammelstelle des Rücknahmesystems zurückgegeben wird.

Grundsätzlich gilt: Je grösser und schwerer das Gerät, desto höher die Gebühr. Für Kleingeräte wie das Smartphone liegt der Betrag aktuell bei 10 Rappen. Über den Recyclingbeitrag wird nicht nur sichergestellt, dass die Elektrogeräte fachgerecht entsorgt werden, sondern, dass sie von Konsument:innen überall wieder zurückgegeben werden können — also nicht nur bei der Entsorgungsstelle, sondern in jedem Geschäft, welches Smartphones verkauft.

Was einst als Kopfzerbrechen begann, ist heute für Dennis Lackovic, den Finanzchef von Swico, ein raffiniertes Zahlenwerk. Der VRB ist ein Dreisatz, der jedes Jahr neu justiert wird, je nach Marktdynamiken und Recyclingkosten. Auch hier zeigt sich: Einfache Lösungen gibt es selten. Denn auch Dreisatzrechnungen haben ihre Fallstricke. Jeder technologische Trend zählt, jede Rohstoffkrise hat ihren Platz.

Um den VRB stets aktuell zu halten, verfolgt ein ausgeklügeltes System kontinuierlich die Marktpreise von Eisen, Aluminium und Kupfer. Besonders während des Einbruchs der Rohstoffmärkte in der Börsenkrise 2008 spürte Swico die Auswirkungen dieser Preisvolatilität.

Mit Herausforderungen rechnen

«Die Preise für diese Rohstoffe sind sehr volatil. Steigen die Preise, erzielen die Recycler mehr Gewinne für die Rohstoffe und unsere Vergütung wird dadurch etwas weniger.»

Dennis Lackovic, CFO und GL-Mitglied Swico

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Mit den VRB-Beiträgen hält Swico eine Reserve von mindestens 12 Monaten, damit bei einem Ernstfall die laufenden Verpflichtungen gedeckt sind. Ein Teil dieser Reserven fliesst in einen Innovationsfonds. So bleibt Recycling in der Schweiz innovativ und ökologisch.

Projekte aus dem Innovationsfonds

Neue Technologien stellen Swico Recycler vor immer neue Herausforderungen. Der Swico Innovationsfonds bringt frischen Wind in die Branche und treibt Innovationen voran. Mit der Finanzspritze werden Sammel- und Recyclingquoten erhöht, Schadstoffe besser entfrachtet, mehr Wertstoffe gewonnen und die ökologische Bilanz verbessert.

Der im Herbst 2019 ins Leben gerufene Fonds wird von Swico geführt. Der Beirat setzt sich aus Vertretern der Swico Geschäftsstelle, des Swico Recycling Boards und externen Expertinnen zusammen.

Zukunftssicheres Recycling in der Schweiz

Tonerhaltige Produkte

Mit der Black Box hat die soRec AG die erste Toner-Recyclinganlage der Schweiz entwickelt und in Betrieb genommen. Diese Anlage verarbeitet Tonerstaub sicher, umweltschonend und nachhaltig. Toner- und Resttonerkassetten müssen nicht mehr im Ausland entsorgt werden. Dezentrale Anlaufstellen minimieren den logistischen Aufwand, sparen mehrere Tonnen CO₂ aus wegfallenden Mehrtransporten, schaffen Arbeitsplätze in der Schweiz und schliessen Rohstoffkreisläufe.

Projekte aus dem Innovationsfonds

Recycling von Elektro-Alt-Geräten mit Li-Ion Batterien

Technologische Fortschritte machen Geräte kleiner, handlicher und praktischer. Die neuesten Gadgets, wie Smartwatches und kabellose Kopfhörer, sollen leicht, wasserdicht und robust sein. Der Schutz durch Kunststoffgehäuse und starke Verklebung macht es jedoch am Ende schwer, Batterien und Akkus aus den Geräten zu entfernen.

Die SoRec AG hat die Genehmigung für eine neue Anlage erhalten, die ab 2026 Elektrokleingeräte automatisch und sicher verarbeiten wird.

Rückgewinnung von Neodym-Magneten

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Praktische Gadgets wie Handys, Tablets und Lautsprecher enthalten schwer recycelbare Neodym-Magnete, die zu den seltenen Erden gehören. Der herkömmliche Recyclingprozess ist aufwendig und führt oft zu Materialverlust.

Swico unterstützt ein Projekt der SoRec AG zur Rückgewinnung dieser wertvollen Magnete. Eine neue Anlage soll Neodym-Magnete effizient zurück-gewinnen und wieder nutzbar machen. Swico finanziert das Vorhaben komplett, von der Machbarkeitsstudie bis zur Integration der neuen Anlage.

Wiederverwendung

Noch gibt es kaum Infos über den Anteil und die Qualität der wiederverwendbaren Geräte im Recyclingstrom. LeBird Sàrl ging dem auf den Grund und analysierte in einem Zerlegebetrieb 100 Tonnen Material vom Swico-Rücknahmesystem. Im Fokus standen Verfügbarkeit von Teilen, Qualitätsgarantie und Datenschutz.

Die abschliessende Studie sammelte Ideen und Kommentare von verschiedenen Akteuren und zeigte Wege für einen Wiederverwendungskanal sowie die Grenzen auf. Erkenntnisse zur Verlängerung der Lebensdauer und Reparierbarkeit von Geräten wurden ebenfalls berücksichtigt.

Fachkurs Recycling Sozialhilfe-Beziehende

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Die Recyclingbranche braucht dringend qualifizierte Arbeitskräfte. Besonders für Sozialhilfeempfänger ist der Einstieg in die reguläre Berufsausbildung oft schwierig. Deshalb sind Massnahmen zur Förderung von Grundkompetenzen und niederschwelligen Qualifizierungsangeboten wichtig.

Das Pilotprojekt «Fachkurs Recycling» von Immark AG bot genau solche Chancen. Es bestand aus mehreren Stufen: niederschwellige Anstellungen, Anstellungen mit Branchendiplom und der Ausbildung zum EFZ Recyclist/in.

Gebindeoptimierung zur Sammlung und Logistik von Flachbildschirmgeräten

Aktuell fehlen auf dem Schweizer Markt Gebinde für die Sammlung, Lagerung und den Transport von immer grösseren Flachbildschirmen. Mit ihrem Projekt hat das Transportunternehmen Schädler Mulden AG mögliche Varianten getestet. Die neuen Behälter sollen perfekt in die bestehenden Logistikprozesse passen und weniger Platz brauchen als bisherige Paletten und Rahmen. In Zusammenarbeit mit Swico wurde eine Gewichtsanalyse durchgeführt, um die Effizienz der neuen Gebinde zu eruieren.

Recyclinganlage für EAG-Kunststoffe

Pollution

Beim Recycling von Elektro- und Elektronik-Altgeräten häuft sich immer mehr Kunststoff an – Tendenz steigend. Trotz grosser Debatten über Kunststoffrecycling bleibt oft unklar, was wirklich passiert. Die Wiederkehr Recycling will Klarheit schaffen. Fundierte Daten aus ihrer Analyse sollen Swico Recycling einen klaren Einblick in die aktuelle Lage geben und gleichzeitig zeigen, wo noch Potenzial ist. Das Ergebnis? Bessere Investitionsentscheidungen für Recyclinganlagen und ein Schub für Forschung und technologische Entwicklung von Kunststoffen im ICT-Bereich.

Repair & Reuse auf den Entsorgungshöfen der Stadt Bern

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Die Stadt Bern möchte die Nutzungsdauer von Alltags-Gegenständen verlängern. Der Verein Pretty Good repariert in Zusammenarbeit mit Partnern defekte Geräte und verkauft u.a. aufbereitete Elektro-Geräte. Ihr neuestes Projekt: ein Reparaturzentrum im Emmental, in Kooperation mit Entsorgung und Recycling Stadt Bern und dem Verein Drahtesel.

Ein Jahr längere Nutzung von Produkten spart Tonnen an CO2. Statt wegwerfen und neu kaufen, heisst es jetzt reparieren! Das Projekt bietet eine einfache, umweltfreundliche und kosten-sparende Lösung, stärkt das lokale Gewerbe und bringt das Thema «Recht auf Reparatur» in die politische Diskussion.

Funktionelle Kreislaufnutzung von IT-Geräten

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Revamp-it macht alte IT-Geräte wieder fit für ein zweites Leben. Zusammen mit Werkraum4, die Menschen in finanzieller Not helfen, konstruieren sie daraus neue Produkte die im Alltag eingesetzt Verwendung finden.

Ein Beispiel: Mit Unterstützung des Swico Innovationsfonds werden kaputte Monitore zu stylischen Decken- und Wandleuchten. Das spart Rohstoffe und schont die Umwelt. Das Projekt schafft Arbeitsplätze, stärkt Reparaturkenntnisse und eröffnet neue, umweltfreundliche Geschäftsmöglichkeiten.